
Ich versuche ja immer etwas außerhalb meiner sonstigen Lesekomfortzone zu lesen, manchmal klappt das mehr, manchmal weniger gut. Der Wunsch mal wieder »etwas anderes« zu lesen war es also, was mich dazu gebracht hat zu »Die Frau im Musée d’Orsay« zu greifen. Ich fand der Klappentext klang sehr spannend und die Rezensionen, die ich zu dem Buch gelesen habe, waren sehr durchwachsen, aber ich wollte mir gerne selbst einen Eindruck machen.

»Die Frau im Musée d’Orsay« erzählt die Geschichte von Antoine Duris, der zur großen Verwunderung aller seinen Job als Professor an der Hochschule der Schönen Künste in Lyon kündigt und Hals über Kopf nach Paris zieht, wo er sich um einen Job als Wärter im Musée d’Orsay bewirbt. Erst nach und nach kommt man dahinter, was ihn dazu bewogen hat sein Leben von einem Tag auf den anderen umzukrempeln und wie dies mit einer ehemaligen Studentin von ihm zusammenhängt.

»Die Frau im Musée d’Orsay« war so ein Buch, das mich von der ersten Seite an gefesselt hat, was zweifellos an dem schönen Schreibstil des Autors liegt. Der hat es mir wirklich angetan; ich mochte das Buch kaum aus der Hand legen. Der Schreibstil war gleichermaßen klar und einfach, wie auch an genau den richtigen Stellen malerisch und verspielt. Diese Mischung hat mir wirklich gut gefallen. Dazu die kurzen Kapitel, die dafür gesorgt haben, dass ich immer weiter und weiter und weiter lesen wollte, weil man sich immer denkt »Ach, nur noch die paar Seiten« und dann wieder »Nur noch das eine Kapitel«. Ich hatte das Buch innerhalb kürzester Zeit ausgelesen, was neben der fesselnden Erzählweise mit der geringen Seitenzahl zusammenhing.
Antoine war ein interessanter Erzähler. Ich will nicht unbedingt sagen, dass ich ihn sympathisch fand, aber er hat mich zumindest neugierig auf seine Geschichte gemacht. Wirklich viel passieren tut in »Die Frau im Musée d’Orsay« eigentlich nicht, zunächst begleitet man Antoine dabei wie er sich mit seiner neuen, selbstgewählten Lebenssituation arrangiert und erst nach ungefähr der Hälfte des Buches fängt man langsam an zu begreifen, was Antoine dazu bewogen hat alles hinzuschmeißen und von vorne anzufangen.
Neben Antoine steht nämlich Camille im Mittelpunkt, eine ehemalige Studentin von Antoine. Der Unterschied zwischen Antoine und Camille konnte zu Beginn der Kapitel über Camille nicht größer sein – wir lesen über ein hoffnungsvolles Mädchen, das ganz verliebt in Kunst ist und nichts anderes tun möchte als sich damit zu beschäftigen. Wer die Triggerwarnungen angeklickt hat weiß, was Camille passiert. Wer nicht, der kann es sich vielleicht trotzdem denken; ich wusste im Vorfeld was Camille passieren würde, wäre aber auch ansonsten nicht sonderlich überrascht gewesen. Waren die Kapitel aus Camilles Sicht hart zu lesen? Total. Die Stimmung war bedrückend und unangenehm und in dem Sinne Chapeau an den Autor, der dafür gesorgt hat, dass ich mich beim Lesen etwas unwohl gefühlt habe. Camilles Gefühle kamen für mich insgesamt ziemlich gut rüber und haben sich greifbar angefühlt, allerdings muss ich sagen, dass mir das Ende etwas zu kurz war, zu abrupt. Sowohl was die Kapitel aus Camilles Sicht anging, als auch der Sprung zurück zu Antoine. Da hätte ich mir definitiv ein paar Seiten mehr gewünscht. Es hat sich fast so angefühlt, als wäre der Autor durch das Ende einfach durchgehetzt und hätte sein Buch schnell beenden wollen. Für meinen Geschmack hätten ein paar Seiten mehr der Geschichte gut getan, noch ein bisschen mehr Tiefgang und Erklärungen.
So interessant (und bedrückend) ich die Verknüpfung aus Camilles und Antoines Leben letztendlich auch fand, so hatte ich doch das Gefühl das Buch ist etwas oberflächlich geblieben. Ich habe die letzte Seite zugeschlagen und mich gefragt, was ich daraus jetzt mitnehmen soll. Einerseits war es spannend zu sehen wie Camilles Schicksal – ich mag das Wort nicht so wirklich, weil es so vorherbestimmt klingt, aber mir fällt auch kein besseres ein – Antoines Leben beeinflusst, aber irgendwie hat sich das auch falsch für mich angefühlt, denn letztendlich waren es die (für mich) falschen Gründe. Ein bisschen musste ich am Ende den Kopf schütteln, weil ich einige Gedanken und Reaktionen Antoines einfach nicht verstehen konnte. Bis zu einem gewissen Punkt, ja, aber irgendwie dann halt auch doch nicht.

»Die Frau im Musée d’Orsay« ist so ein Buch, bei dem ich nicht weiß, ob ich es empfehlen würde. Es war toll geschrieben, keine Frage, aber zum einen wären Triggerwarnungen finde ich angebracht, denn wenn man nicht weiß was passiert erwischen einen bestimmte Szenen mit Sicherheit eiskalt, und zum anderen ist es einfach ein unbequemes Buch. Ein bisschen wie »Ein wenig Leben«. Ich würde nicht sagen, dass es ein gutes Buch ist, aber das Buch hat emotional etwas mit mir gemacht. Ich würde es nicht direkt empfehlen, es ist kein Buch, das ich im herkömmlichen Sinne gerne gelesen habe, aber wer den Klappentext ansprechend findet der sollte durchaus zu dem Buch greifen, denn es war in dem Sinne auch kein schlechtes Buch. Nur eben auch nichts, dass ich jedem in die Hand drücken würde. Wenn ich eine Empfehlung aussprechen würde, dann dass man dieses Buch mit Vorsicht behandeln muss. Man muss sich darauf einlassen und gleichzeitig etwas Abstand wahren, denn wie gesagt, einige Szenen lassen einen schalen Beigeschmack zurück. Nichtsdestotrotz war die Geschichte um Antoine und Camille sehr eindrucksvoll und ich bin nicht abgeneigt noch einmal zu einem Buch des Autors zu greifen, denn mit Abstand am Besten gefallen hat mir der Schreibstil von David Foenkinos.

Autor/in: David Foenkinos
Seiten: 240
Verlag: Penguin
Sprache: Deutsch || Übersetzung: Christian Kolb
Originaltitel: Vers la beatué
Reihe: /
Wertung: 3,5 Sterne
*Vielen Dank an das Bloggerportal und den Penguinverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!