
»Jack of Hearts« ist ein Buch auf das ich vor allem wegen des Covers aufmerksam geworden bin und zwar nicht wegen des Covers, das ihr als Beitragsbild seht und welches das britische Cover ist, sondern aufgrund des amerikanischen. Das sieht nämlich so aus:

Ein bisschen was anderes, nicht wahr? Aber eben auch sehr passend zum Buch. Wobei das britische Cover nicht weniger passend ist. Ich finde es auf jeden Fall mal wieder total interessant wie verschieden Cover für ein und dasselbe Buch ausfallen können. Jedenfalls passt der Junge auf dem Cover sehr gut zu den Beschreibungen von Jack im Buch, was immer toll ist, weil ich schon genug Bücher gelesen habe, bei denen das Cover Model einfach so gar nicht passte. Und die aus Papier gefalteten Herzen spielen ebenfalls auf etwas an, das im Buch passiert. Nur mal interessehalber: Welches Cover findet ihr ansprechender? Ich denke ich mag das britische ein bisschen lieber, auch, wenn das amerikanische definitiv mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Just try to be likable. That’s my motto. Not, like, pretend to be someone you’re not, obviously. Just be likable. Don’t cause drama just because people who won’t talk to you in class talk about you naked when they think you can’t hear.
Jack of Hearts (and other Parts) p. 7.

Aber – nachdem ich jetzt so lange über die Cover gesprochen habe – fragt ihr euch vielleicht worum es denn eigentlich bei »Jack of Hearts« geht. Im Mittelpunkt steht, wie der Titel vermuten lässt, Jack, der schwul ist und sehr offen damit umgeht. Und Jack mag sein Leben so, wie es gerade ist; er geht gerne mit seinen Freunden feiern und hat unverbindlichen Sex und ist dadurch Gesprächsthema Nr. 1 an seiner Schule. Also eigentlich läuft alles ziemlich super für Jack, bis seine Freundin Jenna ihn bittet eine Kolumne für ihren Blog zu schreiben, in der er Fragen zum Thema Sex beantwortet. Eher widerwillig lässt Jack sich darauf ein Ratgeber zu spielen und seinen Mitschülern anonym zu helfen, als er plötzlich Briefe von einem heimlichen Verehrer erhält, der sich allerdings ziemlich schnell als nicht sehr liebenswert und vielmehr als gemeiner Stalker entpuppt.

Ich war zunächst nicht so sicher, was ich von »Jack of Hearts« halten soll. Mir war im Vorfeld klar, dass es zwar ein Jugendbuch ist, wenn auch eher für älteres Publikum und die Hauptfigur queer, aber Junge, Junge, war dieses Buch… detailliert? Also was Jacks Antworten auf die Fragen, die ihm zugeschickt werden, angeht, meine ich. Jack und seine Freunde gehen sehr offen mit Sex um und reden darüber, wobei sie kein Blatt vor den Mund nehmen. Es gibt keine expliziten Szenen per se in dem Buch, da schafft der Autor es jedes Mal den richtigen Cut zu setzen, aber wie gesagt, das heißt nicht, dass nicht offen darüber gesprochen wird. Wer sowas nicht lesen mag – ich hatte persönlich keine Probleme damit – kann diese Stellen denke ich recht gut überspringen beziehungsweise muss ich sagen, dass man sich mit der Zeit auch ein wenig an Jacks Ausdrucksweise gewöhnt. So ging es mir zumindest beim Lesen, je weiter ich in dem Buch war, desto weniger hat es mich gestört wie explizit über diverse Themen gesprochen wurde. Beziehungsweise hat es mich auch im Vorfeld nicht wirklich gestört, aber wie gesagt, meine Güte waren das teilweise detaillierte Ausführungen.
So viel dazu. Jetzt ist wahrscheinlich jeder total abgeschreckt von dem Buch, aber das solltet ihr definitiv nicht sein. Ich meine, »Jack of Hearts« ist kein absolutes Highlight für mich, aber es war ein gutes Buch, besonders was die Repräsentation einiger Themen anging, die der Autor hier anspricht, es wird mit einigen Klischees aufgeräumt, die das Schwulsein betreffen. Dazu kommt, dass es own voices ist, was immer ein weiterer Pluspunkt ist. Und ich entschuldige mich für die ganzen Zitate, die ich in diese Rezension packe, aber Jack – beziehungsweise der Autor – erklärt einiges einfach so gut und treffend, dass ich das mit einer Übersetzung und meinen eigenen Worten nicht kaputt machen möchte:
I’m going to get lecture-y for a second and add that I think the entire idea of Tops and Bottoms – especially when coming from straight people who fetishize gay people – is an attempt to place some sort of hetero world over gay people. “Oh, you bottom, so you’re the woman.” Gay guys who are strictly Tops or Bottoms tend to embrace this idea, too. Being a Top Only means you’re manly or whatever. Because not being manly is considered bad by, like, adults and TV and stuff. Gay guys can buy into that crap just as easy as straight people. Whenever you see “Masc4Masc” on Grindr or whatever, what you’re seeing is someone saying, “I don’t want people to think I’m like a woman, and I don’t want people to think you’re like a woman, because then people will think less of us.” Sure, people have preferences, but these ideas of “masculine” and “feminine” are kind of meaningless. I wear makeup. I think I’m pretty manly. We’re all told this crap all the time, but you can reject it. Instead, you’re enforcing the idea that there is masculine, and there is feminine, and that masculine is, for some unexplained reason, better.
Jack of Hearts (and other Parts) p. 110/111.
Jack als Erzähler ist – wenn man sich erstmal an seine offene Erzählstimme gewöhnt hat – ein unglaublich sympathischer Charakter, wie ich fand. Ich hatte jedenfalls richtig Spaß aus seiner Sicht zu lesen. Aber nicht nur Jack fand ich toll, auch seine Freunde Jenna und Ben sind mir gleich positiv aufgefallen; die Freundschaft zwischen den dreien ist großartig und etwas, das einen recht großen Part im Buch einnimmt, aber ich mochte das. Die drei passten, trotz, dass sie recht unterschiedlich sind, einfach total gut zusammen und irgendwie hat die Harmonie bei diesem Trio einfach gestimmt, auch, wenn sie nicht immer einer Meinung waren.
Lediglich weshalb Jack versucht alles auf eigene Faust zu lösen konnte ich manchmal nicht so ganz nachvollziehen, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich in der Hinsicht einfach anders ticke denke ich. Ich wäre niemand der so etwas mit sich selbst ausmachen könnte, wie Jack es versucht. Die Zettelchen und E-Mails, die Jack von seinem Stalker bekommt, sind teilweise richtig creepy, und während Jenna damit am liebsten zur Polizei gehen würde, hält Jack sie davon ab, aus Angst, dass ihn keiner Ernst nehmen würde. Das kann ich zwar einerseits verstehen, da man in dem Fall vermutlich wirklich nicht viel machen kann und sich bereits sein Schulleiter als nicht sonderlich hilfsbereit – eher im Gegenteil – erwiesen hat, aber trotzdem. Beweisstück Nummer eins, dass der Schulleiter seinen Job verfehlt hat:
»Perhaps, Jack, if you attracted less attention, you wouldn’t be getting emails like this. If this is real, I’d suggest stopping the column, and trying to keep a low profile.«
Jack of Hearts (and other Parts) p. 96.
Und ja, der Schulleiter reagiert wirklich, wirklich unangebracht – umso toller fand ich allerdings die Unterstützung die Jack durch eine Lehrerin erfährt -, aber Jack erzählt nicht einmal seiner Mutter von den Zetteln und Drohungen. Was ich irgendwie komisch fand. Vielleicht kommt mir das nur so vor, weil ich mich mit meinen Eltern sehr gut verstehe und mir sowas nicht vorstellen kann, aber irgendwie war das Verhältnis zwischen Jack und seiner Mutter etwas schräg. Die beiden lebten für mich ein quasi aneinander vorbei und waren gefühlt mehr Mitbewohner als Mutter und Sohn. Jeder hatte sein eigenes Leben, das den anderen kaum etwas anging und ab und an wurde mal zusammen ferngesehen oder gegessen. Obwohl man merkt, dass die beiden einander wichtig sind, war das Familienkonstrukt irgendwie doch sehr locker? Für meinen Geschmack etwas zu locker, aber das empfindet sicher jeder anders. Nichtsdestotrotz fand ich es auch hier schön zu lesen was für eine Akzeptanz Jack durch seine Mutter erfährt, da das ja – leider – nicht selbstverständlich ist.
Insgesamt hat mir die Geschichte an sich wie gesagt dennoch richtig gut gefallen und hat mich in paar Stunden lang wunderbar unterhalten. Ich fand gerade den Handlungsstrang mit Jacks Stalker richtig spannend und habe fleißig mit Vermutungen angestellt, wer es sein könnte, bin aber letztendlich genauso im Dunkeln herumgetappt wie Jack und seine Freunde. Von der Auflösung war ich ein wenig überrascht, wusste erst nicht was ich davon halte und bin mir auch jetzt noch nicht so ganz sicher. Gerechnet hatte ich damit jedenfalls nicht unbedingt, obwohl man im Nachhinein die kleinen Hinweise nachvollziehen kann, die der Autor im Text gestreut hat.

Jack of Hearts hat mich in einigen Aspekten sehr positiv überrascht, in anderen eher nicht. Es hat unglaublich Spaß gemacht aus Jacks Sicht zu lesen, gleichzeitig wurden aber auch einige “ernstere” Themen angesprochen und ich fand es super wie der Autor diese verpackt hat. Über einiges habe ich mir tatsächlich nie/kaum Gedanken gemacht bisher, einfach weil ich nicht betroffen bin und es dann manchmal schwer fällt über den Tellerrand hinaus zu blicken, aber man lernt ja nie aus. Letztendlich überzeugte Jack of Hearts mich vor allem durch die Mischung aus Humor, Ernsthaftigkeit und Spannung. Die Freundschaft zwischen den Hauptpersonen war ein großer Pluspunkt für mich, genauso wie die Tatsache, dass es mal interessant war über einen queeren Charakter zu lesen der sich schon geoutet hat und diesen Prozess nicht erst noch durchläuft. Wer also ein Gute-Laune-Buch mit ein bisschen Spannung und sehr viel Diversität sucht, für den ist Jack of Hearts wahrscheinlich genau das Richtige.

Autor/in: L. C. Rosen
Seiten: 368
Verlag: Penguin
Sprache: Englisch
Übersetzung: –
Wertung: 4 Sterne
*Danke an Netgalley und Penguin Random House UK Children für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.